200 Jahre Robert Schumann,
ein Vertreter der Romantik in der Musik. Und zur
Romantik haben wir als Kulturbeflissene der Postmoderne ja unser
sicheres Urteil. Literatur, Malerei und auch die Musik sei bestimmt
von Gefühlsduselei, von der Innerlichkeit und dem Streben nach
Harmonie mit sich und der Welt, nach ungestörtem Glück; Friede,
Freude, Eierkuchen. Alle Musik nach der Romantik scheint davon
geprägt, eine distanzierende Antwort auf diese Epoche sein zu
wollen. Die Suche nach der Disharmonie, nach dem akustischen
Unfrieden, nach der Störung von Freude, nach dem Faulen im
Eierkuchen. Doch noch in der mathematischen Konstruktion von
Tonfolgen, in assoziativer oder kalkulierter Montage von Stille und
Lärm spürt der Hörer diesen gewollten Gegensatz zur Musik der
Romantik. Entweder werden romantische Klänge gebrochen, verfremdet,
prozessual gestört, oder die Natur einerseits oder die technisierte
Welt werden akustisch gescannt, montiert. Dies kann beeindruckende
Klangwelten erschaffen. Dennoch: Was, wenn die Musik der Romantik
selbst eine in Schmerzen geborene Antwort sucht und findet? Eine
trotzige Antwort auf die Restauration undemokratischer Gesellschaft
nach der Hoffnung der französischen Revolution, eine Antwort auf
die beengten Verhältnisse der Unfreiheit und biedermeierlicher
Flucht ins Private, eine Antwort auf Krankheit und Gebrechlichkeit,
die den Wunsch nach Freiheit begrenzen, eine Antwort auf den
persönlichen Kampf, der nach dem Sündenfall, na, sagen wir nach der
Selbsterkenntnis im homo sapiens ausgetragen wird. Dieser Streit
zwischen Ideal und Begrenzung, der uns noch immer umtreibt, etwa
bei der Diskussion der Erkenntnisse der Gehirnforschung mit der
Frage nach den Grenzen der menschlichen Freiheit. Wer diesen Fragen
ernsthaft nach geht und um Antwort ringt, kann schon in der Anstalt
landen – wie Hölderlin, wie Schumann, kann zumindest an sich selbst
verzweifeln – wie Tschaikowski. Und hat nicht Beethoven in der
Neunten mit dem Satz „Freunde, nicht diese Töne“ das Tor geöffnet
für die Hoffnung, von der die Menschheit nie genug haben kann? Wenn
das so wäre, dann müsste Schumann anders gespielt, anders gehört
werden. Dieser schmerzliche Weg, von Widersprüchen und Niederlagen
gepflastert, sollte doch hörbar zu machen sein. Gerade bei Robert
Schumann. Wer die Musik Schumanns um des billigen Beifalls, um des
schnellen Genusses willen zur artifiziellen Volksmusik einflacht,
der liefert oder erwartet fast food. Dies sind die zwei Spielformen
des postmodernen Zynismus: das bequem Seichte bis gierig Anmaßende
um des persönliche Vorteils willen, andererseits das bloße
Beschreiben einer Kakophonie als Vorwurf an alle anderen zur
Entlastung des eigenen Gewissens.
Das ist's ja, was den Menschen zieret, und dazu ward ihm der Verstand, dass er im innern Herzen spüret, was er erschafft mit seiner Hand“ (Schiller).
Der Streit um den nachhaltigen, den nachhallenden Klang aber wird in jedem selbst stattfinden und der Künstler lässt uns teilhaben. Hören Sie sich verschiedene Schumann Aufnahmen an, vor allem auch alte – etwa von Backhaus, Gieseking. Der Unterschied zwischen gefälliger und trotziger Romantik ist zu hören.
Das ist's ja, was den Menschen zieret, und dazu ward ihm der Verstand, dass er im innern Herzen spüret, was er erschafft mit seiner Hand“ (Schiller).
Der Streit um den nachhaltigen, den nachhallenden Klang aber wird in jedem selbst stattfinden und der Künstler lässt uns teilhaben. Hören Sie sich verschiedene Schumann Aufnahmen an, vor allem auch alte – etwa von Backhaus, Gieseking. Der Unterschied zwischen gefälliger und trotziger Romantik ist zu hören.
Frühlingserwachen 1 & 2
Frühlingserwachen 3 und 4*
Den Text zu dem Lied oben finden sie
auch unter "Wort und Bild".
19. März 2010
Vor 200 Jahren wurde Frederic Chopin geboren.
Dies ist Anlass für eine ganze Reihe von neuen oder neu aufgelegten
CD-Angeboten. Nun möchte ich Ihnen hier keine Kaufempfehlung geben.
Da hat jeder ohnehin seine eigenen Vorlieben. Und dennoch einige
Überlegungen:
Stellen Sie sich einen jungen Mann vor, der wegen seines glühenden Patriotismus und seiner Freiheitsliebe sein Land verlässt, verlassen muss. Er taucht in eine neue Kultur ein, in der eine vorwiegend selbstsichere Oberschicht sich das Privileg von life-music erlauben kann. Man holte sich Solisten oder kleine Ensembles in den Salon, geht aber auch ins große Konzert. Chopin brauchte diese Klientel als Kunden (Zuhörer und Schüler), fühlte sich aber dort nicht unbedingt wohl. [Welchem 68-er ist es beim Scheitern auf dem Weg durch die Institutionen nicht auch so gegangen?] Wir wissen zudem um die Probleme von Migranten, von Integration oder Assimilation. Wie viele deutsche Künstler haben im Exil ihren kulturellen Nährboden verloren?
Chopin war eher jemand der leisen Töne, des Tastens, des Suchens nach Verstehen und verstanden Werden. Und so hat er wohl auch Klavier gespielt. In großen Sälen ohne charismatische Ausstrahlung, in kleinerem Kreis in seiner Verletzlichkeit überzeugend. Deshalb wohl auch fand er in George Sand eine Seelenverwandte, die in großer Gesellschaft sich bescheiden und scheu zurückzog, im Salon aber durch Persönlichkeit und Bildung brillierte.
Wie also spielte Chopin vermutlich Klavier? Er war zunächst ein überwältigender Improvisator. Die Zuhörer werden also den Prozess der Improvisation erlebt haben. Die Suche nach der richtigen Entfaltung eines Themas, die Freude, ja zum Teil Begeisterung, es getroffen zu haben. Dies wird vermutlich eher zu einem Rubato der rechten Hand geführt haben, eine kaum merkliche Unschlüssigkeit, um dann beschwingt das Zeitmaß mit der Linken wieder in Einklang zu bringen.
Wenn Sie sich also mehr als einem Pianisten und seinen Interpretationen anvertrauen wollen, achten Sie mal darauf, wem dieses allmähliche Verfertigen des musikalischen Gedankens beim Spiele gelingt.
Stellen Sie sich einen jungen Mann vor, der wegen seines glühenden Patriotismus und seiner Freiheitsliebe sein Land verlässt, verlassen muss. Er taucht in eine neue Kultur ein, in der eine vorwiegend selbstsichere Oberschicht sich das Privileg von life-music erlauben kann. Man holte sich Solisten oder kleine Ensembles in den Salon, geht aber auch ins große Konzert. Chopin brauchte diese Klientel als Kunden (Zuhörer und Schüler), fühlte sich aber dort nicht unbedingt wohl. [Welchem 68-er ist es beim Scheitern auf dem Weg durch die Institutionen nicht auch so gegangen?] Wir wissen zudem um die Probleme von Migranten, von Integration oder Assimilation. Wie viele deutsche Künstler haben im Exil ihren kulturellen Nährboden verloren?
Chopin war eher jemand der leisen Töne, des Tastens, des Suchens nach Verstehen und verstanden Werden. Und so hat er wohl auch Klavier gespielt. In großen Sälen ohne charismatische Ausstrahlung, in kleinerem Kreis in seiner Verletzlichkeit überzeugend. Deshalb wohl auch fand er in George Sand eine Seelenverwandte, die in großer Gesellschaft sich bescheiden und scheu zurückzog, im Salon aber durch Persönlichkeit und Bildung brillierte.
Wie also spielte Chopin vermutlich Klavier? Er war zunächst ein überwältigender Improvisator. Die Zuhörer werden also den Prozess der Improvisation erlebt haben. Die Suche nach der richtigen Entfaltung eines Themas, die Freude, ja zum Teil Begeisterung, es getroffen zu haben. Dies wird vermutlich eher zu einem Rubato der rechten Hand geführt haben, eine kaum merkliche Unschlüssigkeit, um dann beschwingt das Zeitmaß mit der Linken wieder in Einklang zu bringen.
Wenn Sie sich also mehr als einem Pianisten und seinen Interpretationen anvertrauen wollen, achten Sie mal darauf, wem dieses allmähliche Verfertigen des musikalischen Gedankens beim Spiele gelingt.
Moritat vom kaputten Mann 1 und 2
Moritat vom kaputten Mann 3 und 4
Moritat vom kaputten Mann 5 und 6
Moritat vom kaputten Mann 7 und Text
Moritat vom kaputten
Mann Es klingelt der Wecker, ich fall aus dem Bett, wenn ich nur den Belag auf der Zunge nicht hätt. Ich schleiche zum Waschen, krieg die Augen nicht auf, so nimmt auch dieser Tag unter Gähnen den Lauf. Ich bin ja so kaputt. Die Zeitung im Honig, die Krawatte im Tee, früh am Morgen tun mir die Hämorrhoiden schon weh. Auf dem Weg in die Stadt überseh ich ein Rot. Ne Frau springt zur Seite, nur ihr Hund ist jetzt tot. Im Büro angelangt, stell ichs Telefon leis, dann schleich ich aufs Klo und mach erst mal - Pause. Bis zum Mittag, da schicht ich die Akten neu um, sonst schaut nur der Alte, wenn er reinguckt so dumm. Ich bin ja so kaputt. Nach dem Essen verbring ich mit Quatschen die Zeit. Sonst würd ich einschlafen, das ginge zu weit. Die Tippse vom Alten lädt mich zu sich ein, mit Zahnbürste und so - das darf doch nicht sein. Was tut man nicht alles für die Ruh im Büro, Also schluck ich ne Pille, hebt die Stimmung und so. Ich gebe mir Mühe und lob ihre Wohnung, das Essen und hoffe, das gibt mir Schonung. Ich bin ja so kaputt. Doch dann wird sie zärtlich, lockt mich in die Kissen. Ich werd wohl heut nacht meine Ruhe vermissen. Morgens klingelt der Wecker, ich fall aus dem Bett. Wenn ich nur den Belag auf der Zunge nicht hätt. Ich bin ja so kaputt. ( Dieser Text wurde auch vertont von den Driewers, einer Band aus dem Osnabrücker Land. Das Stück ist veröffentlicht auf einer CD, Titel: "diese frauen", Kontakt: Rainer Drewes, 05461-4803 ) |
Späte Liebe 1 und 2
Späte Liebe 3 und 4
Späte Liebe
Der Herbst glüht in den Bäumen, entzündet Falbes bang. Wir wollen nicht versäumen der Fülle Untergang. Mit dir das Glück genießen, das Zögern später Zeit. Die Sonne trinkt der Wiesen Tau erst zur Mittagszeit. |
Wo ist der Tag geblieben, an dem ich Zukunft zwang? Vergangen frühes Lieben, des Frühlings Überschwang. Mit dir die Blicke tauschen, die Zärtlichkeit der Haut, den Augenlidern lauschen und deines Atmens Laut. |
Wenn es regnet 1 und 2
Wenn es regnet 3
Wenn es regnet Wenn es regnet, fallen Tropfen in den Sand; fallen Tropfen auf die Steine, den Asphalt; fallen Tropfen auf die Dächer, auf dein Haar; fallen Tropfen auf die Blätter, in das Land. Fallen Tropfen, fallen Tropfen in die Linien deiner Hand. Wenn es regnet, wird es kalt. Wenn es regnet nach der Zukunft, bist du alt. |
Verlorner Herbst 1 und 2
Verlorner Herbst 3 und 4
Verlorener Herbst
Verlorene Blätter in den Zweigen,
die Erntezeit vergessen und vorbei.
Der Wind spielt einen stillen Reigen,
und auch der Sonne ist's jetzt einerlei.
Der Stadt verbleiben Smog und Schweigen.
Noch ruht die Kälte hinter Wäldern,
noch zieht man fröstelnd nicht den Mantel an.
Die Wintersaat ruht in den Feldern.
Morbides schlägt verhalten dich in Bann.
Der Feierabend steht bedrohlich an.
Die Kinder spielen jetzt Verstecken,
versuchen ängstlich erstes Zärtlichsein.
Im Dämmerlichte hinter Hecken
läßt eine scheue Ahnung sie allein.
Noch kann die Scham die Lust verdecken.
Die Spinnen suchen Mauerritzen,
und Autos werden winterfest gemacht.
Die Jogger sieht man nur noch selten schwitzen.
Die Werbespots verkaufen schon die Heil'ge Nacht.
Dem späten Herbst wird in Gedichten stimmungsvoll gedacht.
die Erntezeit vergessen und vorbei.
Der Wind spielt einen stillen Reigen,
und auch der Sonne ist's jetzt einerlei.
Der Stadt verbleiben Smog und Schweigen.
Noch ruht die Kälte hinter Wäldern,
noch zieht man fröstelnd nicht den Mantel an.
Die Wintersaat ruht in den Feldern.
Morbides schlägt verhalten dich in Bann.
Der Feierabend steht bedrohlich an.
Die Kinder spielen jetzt Verstecken,
versuchen ängstlich erstes Zärtlichsein.
Im Dämmerlichte hinter Hecken
läßt eine scheue Ahnung sie allein.
Noch kann die Scham die Lust verdecken.
Die Spinnen suchen Mauerritzen,
und Autos werden winterfest gemacht.
Die Jogger sieht man nur noch selten schwitzen.
Die Werbespots verkaufen schon die Heil'ge Nacht.
Dem späten Herbst wird in Gedichten stimmungsvoll gedacht.