Gerd H. Köpke
Wort und Ton
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© 2019 Gerd H. Köpke

200 Jahre Robert Schumann,

ein Vertreter der Romantik in der Musik. Und zur Romantik haben wir als Kulturbeflissene der Postmoderne ja unser sicheres Urteil. Literatur, Malerei und auch die Musik sei bestimmt von Gefühlsduselei, von der Innerlichkeit und dem Streben nach Harmonie mit sich und der Welt, nach ungestörtem Glück; Friede, Freude, Eierkuchen. Alle Musik nach der Romantik scheint davon geprägt, eine distanzierende Antwort auf diese Epoche sein zu wollen. Die Suche nach der Disharmonie, nach dem akustischen Unfrieden, nach der Störung von Freude, nach dem Faulen im Eierkuchen. Doch noch in der mathematischen Konstruktion von Tonfolgen, in assoziativer oder kalkulierter Montage von Stille und Lärm spürt der Hörer diesen gewollten Gegensatz zur Musik der Romantik. Entweder werden romantische Klänge gebrochen, verfremdet, prozessual gestört, oder die Natur einerseits oder die technisierte Welt werden akustisch gescannt, montiert. Dies kann beeindruckende Klangwelten erschaffen. Dennoch: Was, wenn die Musik der Romantik selbst eine in Schmerzen geborene Antwort sucht und findet? Eine trotzige Antwort auf die Restauration undemokratischer Gesellschaft nach der Hoffnung der französischen Revolution, eine Antwort auf die beengten Verhältnisse der Unfreiheit und biedermeierlicher Flucht ins Private, eine Antwort auf Krankheit und Gebrechlichkeit, die den Wunsch nach Freiheit begrenzen, eine Antwort auf den persönlichen Kampf, der nach dem Sündenfall, na, sagen wir nach der Selbsterkenntnis im homo sapiens ausgetragen wird. Dieser Streit zwischen Ideal und Begrenzung, der uns noch immer umtreibt, etwa bei der Diskussion der Erkenntnisse der Gehirnforschung mit der Frage nach den Grenzen der menschlichen Freiheit. Wer diesen Fragen ernsthaft nach geht und um Antwort ringt, kann schon in der Anstalt landen – wie Hölderlin, wie Schumann, kann zumindest an sich selbst verzweifeln – wie Tschaikowski. Und hat nicht Beethoven in der Neunten mit dem Satz „Freunde, nicht diese Töne“ das Tor geöffnet für die Hoffnung, von der die Menschheit nie genug haben kann? Wenn das so wäre, dann müsste Schumann anders gespielt, anders gehört werden. Dieser schmerzliche Weg, von Widersprüchen und Niederlagen gepflastert, sollte doch hörbar zu machen sein. Gerade bei Robert Schumann. Wer die Musik Schumanns um des billigen Beifalls, um des schnellen Genusses willen zur artifiziellen Volksmusik einflacht, der liefert oder erwartet fast food. Dies sind die zwei Spielformen des postmodernen Zynismus: das bequem Seichte bis gierig Anmaßende um des persönliche Vorteils willen, andererseits das bloße Beschreiben einer Kakophonie als Vorwurf an alle anderen zur Entlastung des eigenen Gewissens.
Das ist's ja, was den Menschen zieret, und dazu ward ihm der Verstand, dass er im innern Herzen spüret, was er erschafft mit seiner Hand“ (Schiller).
Der Streit um den nachhaltigen, den nachhallenden Klang aber wird in jedem selbst stattfinden und der Künstler lässt uns teilhaben. Hören Sie sich verschiedene Schumann Aufnahmen an, vor allem auch alte – etwa von Backhaus, Gieseking. Der Unterschied zwischen gefälliger und trotziger Romantik ist zu hören.

Frühlingserwachen 1 & 2

Frühlingserwachen 3 und 4*

Den Text zu dem Lied oben finden sie auch unter "Wort und Bild".

19. März 2010

Vor 200 Jahren wurde Frederic Chopin geboren. Dies ist Anlass für eine ganze Reihe von neuen oder neu aufgelegten CD-Angeboten. Nun möchte ich Ihnen hier keine Kaufempfehlung geben. Da hat jeder ohnehin seine eigenen Vorlieben. Und dennoch einige Überlegungen:
Stellen Sie sich einen jungen Mann vor, der wegen seines glühenden Patriotismus und seiner Freiheitsliebe sein Land verlässt, verlassen muss. Er taucht in eine neue Kultur ein, in der eine vorwiegend selbstsichere Oberschicht sich das Privileg von life-music erlauben kann. Man holte sich Solisten oder kleine Ensembles in den Salon, geht aber auch ins große Konzert. Chopin brauchte diese Klientel als Kunden (Zuhörer und Schüler), fühlte sich aber dort nicht unbedingt wohl. [Welchem 68-er ist es beim Scheitern auf dem Weg durch die Institutionen nicht auch so gegangen?] Wir wissen zudem um die Probleme von Migranten, von Integration oder Assimilation. Wie viele deutsche Künstler haben im Exil ihren kulturellen Nährboden verloren?
Chopin war eher jemand der leisen Töne, des Tastens, des Suchens nach Verstehen und verstanden Werden. Und so hat er wohl auch Klavier gespielt. In großen Sälen ohne charismatische Ausstrahlung, in kleinerem Kreis in seiner Verletzlichkeit überzeugend. Deshalb wohl auch fand er in George Sand eine Seelenverwandte, die in großer Gesellschaft sich bescheiden und scheu zurückzog, im Salon aber durch Persönlichkeit und Bildung brillierte.
Wie also spielte Chopin vermutlich Klavier? Er war zunächst ein überwältigender Improvisator. Die Zuhörer werden also den Prozess der Improvisation erlebt haben. Die Suche nach der richtigen Entfaltung eines Themas, die Freude, ja zum Teil Begeisterung, es getroffen zu haben. Dies wird vermutlich eher zu einem Rubato der rechten Hand geführt haben, eine kaum merkliche Unschlüssigkeit, um dann beschwingt das Zeitmaß mit der Linken wieder in Einklang zu bringen.
Wenn Sie sich also mehr als einem Pianisten und seinen Interpretationen anvertrauen wollen, achten Sie mal darauf, wem dieses allmähliche Verfertigen des musikalischen Gedankens beim Spiele gelingt.

Moritat vom kaputten Mann 1 und 2

Moritat vom kaputten Mann 3 und 4

Moritat vom kaputten Mann 5 und 6

Moritat vom kaputten Mann 7 und Text

Moritat vom kaputten Mann

Es klingelt der Wecker, ich fall aus dem Bett,
wenn ich nur den Belag auf der Zunge nicht hätt.
Ich schleiche zum Waschen, krieg die Augen nicht auf,
so nimmt auch dieser Tag unter Gähnen den Lauf.

Ich bin ja so kaputt.

Die Zeitung im Honig, die Krawatte im Tee,
früh am Morgen tun mir die Hämorrhoiden schon weh.
Auf dem Weg in die Stadt überseh ich ein Rot.
Ne Frau springt zur Seite, nur ihr Hund ist jetzt tot.

Im Büro angelangt, stell ichs Telefon leis,
dann schleich ich aufs Klo und mach erst mal - Pause.
Bis zum Mittag, da schicht ich die Akten neu um,
sonst schaut nur der Alte, wenn er reinguckt so dumm.

Ich bin ja so kaputt.

Nach dem Essen verbring ich mit Quatschen die Zeit.
Sonst würd ich einschlafen, das ginge zu weit.
Die Tippse vom Alten lädt mich zu sich ein,
mit Zahnbürste und so - das darf doch nicht sein.

Was tut man nicht alles für die Ruh im Büro,
Also schluck ich ne Pille, hebt die Stimmung und so.
Ich gebe mir Mühe und lob ihre Wohnung,
das Essen und hoffe, das gibt mir Schonung.

Ich bin ja so kaputt.

Doch dann wird sie zärtlich, lockt mich in die Kissen.
Ich werd wohl heut nacht meine Ruhe vermissen.
Morgens klingelt der Wecker, ich fall aus dem Bett.
Wenn ich nur den Belag auf der Zunge nicht hätt.

Ich bin ja so kaputt.

( Dieser Text wurde auch vertont von den Driewers,
einer Band aus dem Osnabrücker Land. Das Stück
ist veröffentlicht auf einer CD, Titel: "diese frauen",
Kontakt: Rainer Drewes, 05461-4803 )

Späte Liebe 1 und 2

Späte Liebe 3 und 4

Späte Liebe

Der Herbst glüht in den Bäumen,
entzündet Falbes bang.
Wir wollen nicht versäumen
der Fülle Untergang.

Mit dir das Glück genießen,
das Zögern später Zeit.
Die Sonne trinkt der Wiesen
Tau erst zur Mittagszeit.

Wo ist der Tag geblieben,
an dem ich Zukunft zwang?
Vergangen frühes Lieben,
des Frühlings Überschwang.

Mit dir die Blicke tauschen,
die Zärtlichkeit der Haut,
den Augenlidern lauschen
und deines Atmens Laut.

Wenn es regnet 1 und 2

Wenn es regnet 3

Wenn es regnet

Wenn es regnet, fallen Tropfen
in den Sand;
fallen Tropfen auf die Steine,
den Asphalt;
fallen Tropfen auf die Dächer,
auf dein Haar;
fallen Tropfen auf die Blätter,
in das Land.
Fallen Tropfen, fallen Tropfen
in die Linien deiner Hand.

Wenn es regnet,
wird es kalt.

           Wenn es regnet nach der Zukunft,
           bist du alt.

Verlorner Herbst 1 und 2

Verlorner Herbst 3 und 4





Verlorener Herbst

Verlorene Blätter in den Zweigen,
die Erntezeit vergessen und vorbei.
Der Wind spielt einen stillen Reigen,
und auch der Sonne ist's jetzt einerlei.
Der Stadt verbleiben Smog und Schweigen.

Noch ruht die Kälte hinter Wäldern,
noch zieht man fröstelnd nicht den Mantel an.
Die Wintersaat ruht in den Feldern.
Morbides schlägt verhalten dich in Bann.
Der Feierabend steht bedrohlich an.

Die Kinder spielen jetzt Verstecken,
versuchen ängstlich erstes Zärtlichsein.
Im Dämmerlichte hinter Hecken
läßt eine scheue Ahnung sie allein.
Noch kann die Scham die Lust verdecken.

Die Spinnen suchen Mauerritzen,
und Autos werden winterfest gemacht.
Die Jogger sieht man nur noch selten schwitzen.
Die Werbespots verkaufen schon die Heil'ge Nacht.
Dem späten Herbst wird in Gedichten stimmungsvoll gedacht.